Arno Gruen auf die Frage, ob man einen „menschlichen“ Politiker daran erkennt, ob er Feindbilder benutzt:

“ Er (der Politiker) muß nicht Selbstmitleid einsetzen, um seine Position zu fördern. Das geht zusammen. Man findet immer wieder Leute, die Feindbilder heraufbeschwören, auch Selbstmitleid als Teil ihrer Kampagne gebrauchen, um zu sagen: Schau mal, wie wir wegen dieser vermeintlichen Feinden leiden. Das hängt immer zusammen. Feindbilder und Selbstmitleid gehören zusammen. 

Denn mit dem Selbstmitleid, das dazu dient, das Opfer in uns allen zu erwecken, kann man noch mehr gegen die so genannten Feinde hetzen.“

 

Ich habe lange überlegt, ob Themen, die politisch anmuten etwas auf meiner Seite zu suchen haben.

Ich hatte in letzter Zeit das Erlebnis, daß der rechtspopulistische Hetzer Michael Jung, der in der „Deutschen Rundschau“, der „Bildzeitung der AFD“ hetzerische Beiträge verfaßt, auf einem Fest von Freunden willkommen war.

Als ich mich darüber empört habe, daß jemand, der so etwas macht und verbreitet, hier geduldet wird, bekam ich bagatellisierende Antworten und „ich solle mich nicht so anstellen“, „er ist doch so nett zu seiner Freundin“. Schließlich hätten wir ja Meinungsfreiheit.

Nur ist eine menschenverachtende Haltung anderen Menschen gegenüber eben keine politische Meinung.

Mich hat es durchaus beschäftigt, daß jemand, der sich auf einem geistigen Niveau von Bernd Höcke bewegt, nun in meinem erweiterten Umfeld freundlich aufgenommen wird.

Den Rest hat mir jetzt der Umgang mit der Flugblattaffäre von Hubert Aiwanger gegeben.

Ich finde es wirklich erstaunlich, daß man mit einem derart erbärmlichen, vor Selbstmitleid triefenden Herangehensweise noch mit Stimmenzuwachs belohnt wird.

Es wäre Herrn Aiwanger ja möglich gewesen, Verantwortung für sein damaliges Handeln zu übernehmen und darzulegen, wie er sich vom Antisemiten zum Menschenfreund und Demokraten entwickelt hat.

Zugegeben ist das nach dem Auftritt in Erding, wo er sich von „denen in Berlin (die ja den Orrsch offen haben) als schweigende Mehrheit die Demokratie zurückholen“ wollte, auch nicht so einfach.

Ich frage mich, was wir als Gesellschaft mittlerweile alles hinnehmen, ohne uns merklich darüber zu empören.

Auf der anderen Seite verliert Herr Laschet wegen einem blöden Lachen zur falschen Zeit am falschen Ort seine Kanzlerschaft. Oder denken wir an ein aus der Hüfte geschossenes Heizingsgesetz.

Der Grad der Entrüstung darüber steht doch in keinem Verhältnis zu dem, was in diesem Fall ein Regierungsmitglied an antidemokratischer Einstellung äussert und nicht in der Lage ist, seine Entwicklung zum Demokratiefreund (sofern sie stattgefunden hat) glaubhaft darzulegen.

Das ist natürlich übertrieben, sollte uns aber zu denken geben!

Mich erschüttert daß ich diesen Prozess in Europa oder gar in München beobachten muß und es sogar im Freundeskreis stattfindet und eben mehr als jeder fünfte im Moment angibt, die AFD zu wählen.

Ich weiß, es gibt und gab einige, die ihren Faschismus mehr ausleben (weil sie es konnten?) als die, die sich bei uns im Moment formieren und die, die deren Verhalten ich hier versuche zu beschreiben.

Manche von den Genannten gehören auch mehr ins populistische Lager, was ja auch schon schlimm genug ist. Immerhin trägt ihr Grünenbashing dazu bei, daß die Kandidaten der Grünen im bayerischen Wahlkampf Polizeischutz brauchen.

Ein Populist hat im Gegensatz zum Konservativen seinen Anstand verloren

Wenn man Sascha Lobos sehr treffende Differenzierung im Spiegel zwischen Konservativen und Populisten sieht. Der Kern ist, daß Konservative Anstand haben, während Populisten diesen opfern, um sich bei einer Bevölkerungsgruppe kurzfristig anzubiedern.

Leider kann man einen Herrn März und einen Herrn Söder da auch nicht völlig ausnehmen, wenn täglich gepostet wird, daß man „sich den Leberkäs nicht von den Grünen verbieten lässt“ oder von den „kleinen Paschas“gesprochen wird. Auch das spaltet.

Werden Donald Trumps, Viktor Orbans, Markus Kurz, Marie Le Pens oder andere schamlos erscheinende Manipulatoren wie Andreas Scheuer oder eben Herr Aiwanger „normal“ in unserer heimischen Welt, die ich bis jetzt bei allen Schwächen immer noch als freiheitlich demokratisch kannte?

Wieso schreibe ich als jemand, der versucht, Menschen in ihrer Krankheit zu helfen, solche Sachen?

Ich unterstelle hierbei einen krankhaften Prozess, der sich bei vielen Individuen und dadurch auch in unserer Gesellschaft abspielt.

Ich glaube bei vielen Menschen in meiner Praxis immer mehr eine Entfremdung von sich selbst und ihren Bedürfnissen zu beobachten.

Für mich ist ein ganz wichtiger Entstehungsgrund von Krankheiten, daß wir verlernt haben, in uns hineinzufühlen. Auch wenn wir es tun, daß wir uns selbst nicht glauben.

Das führt zu Lieblosigkeit zu uns und zu anderen.

Im schlimmsten Fall zur Grausamkeit.

Daher nehmen wir unsere Funktion, die Erwartungen anderer und Meinungen vermeintlich grösserer Menschen wichtiger als das, was unser Körper und unsere Seele braucht.

So haben wir verlernt, Störgefühle ernst zu nehmen und für einen stimmigen Zustand in uns und um uns herum zu sorgen.

Das erfordert dann eine gewisse Konsequenz, die dann immer wieder einer Scheinharmonie geopfert wird.

Wieso tun wir das? Ein Grund ist Gehorsam. Das bedeutet, daß wir gelernt haben, daß bestimmtes Verhalten belohnt und manches bestraft wird. Wir lernen dann, daß wenn wir uns so verhalten, wie es die normengebende Instanz es möchte, zu verhalten. Nur geht dabei unser Eigenes verloren.

Es hat mit Macht und Liebe zu tun.

Macht versucht durch Konditionierung ein bestimmtes Verhalten beim Unterlegenen zu erreichen.

Sie ist daher unter diesen Umständen immer gewaltvoll, manipulativ und lieblos.

In einer liebevollen Beziehung wird jeder Mensch in seiner Einmaligkeit gesehen und die Einsicht aus dem Gefühl der Verbundenheit mit anderen Menschen und der Umwelt entsteht. Im Sinne von: was Du willst, das Dir man tut , das tue auch den anderen an – und umgekehrt. Nicht zu vergessen, daß wir den anderen wie uns selbst lieben sollten – und ich würde es erweitern, daß es bei manchen sehr altruistischen Menschen auch anders herum gilt.

Natürlich braucht es auch da Macht, sie wird aber mit Mitgefühl und zur Förderung des Wachstums des anderen eingesetzt.

Das würde ich zweifellos als die gesündere Herangehensweise ansehen.

Jetzt zum Faschismus: Wenn wir uns die Kindheit der großen Faschisten und Populisten ansehen, fällt uns auf, daß sie alle durch eine Kindheit voller Demütigungen und Grausamkeiten gegangen sind, wo insbesondere die väterliche Gewalt eine tragende Rolle spielt. Die der Mutter oft, in der sie den Vater walten lässt.

Ich möchte wissen, wer , wenn er Adolf Hitlers Eltern oder Donald Trumps Vater hätte aushalten müssen, wenn er es seelisch und körperlich überlebt hätte, zum Menschenfreund geworden wäre.

Hinter ihren Schicksalen verbirgt sich eine große Tragik. Das Problem ist eben, daß viele andere Menschen darunter leiden müssen, weil sie sich standhaft weigern, sich ihrem Schmerz zuzuwenden.

Diese Menschen sind entmenschlicht worden und entmenschlichen andere.

Die Tragik ist, daß sie dabei äusserlich im Sinne der Macht, sehr erfolgreich sind und viele, sei es aus Angst oder Opportunismus sich ihnen anschließen und kooperieren.

Ihre scheinbare Größe verleiht ihnen Glanz. Es ist aber kein Scheinen von Innen heraus. Es ist eine leere Hülle.

In ihnen herrscht eine schreckliche Leere und das Lebendige und Zarte muß im Aussen bekämpft und entwertet werden.

Sie nehmen lediglich eine Pose eines mitfühlenden Menschen und manche je nach Publikum sogar die eines Umweltschützers (z.B. Windräder bauen) ein, um andere mit diesem Bild zu täuschen und so zu manipulieren, um es bei anderem Publikum wieder „unsere schöne Landschaft nicht durch Windräder zu zerstören“.

Tut mir leid Herr Söder, das musste sein, auch mit Ihnen habe ich ein gewisses Mitgefühl, da Sie es sicherlich auch nicht leicht hatten als Kind.

Ist „Normal“ auch gesund?

Ist so etwas nun krank? Es scheint im gewissen Sinn normal – aber heißt das. es ist gesund?

Andere nennen es „Den Wahnsinn der Normalität“.

Auf dass es uns gelingt, ihm wenigstens ein bißchen Einhalt zu gebieten.

Wenn wir diesem Wahnsinn folgen, macht es unsere Umwelt, unsere Gesellschaft unsere Familien und jeden Einzelnen von uns kaputt und krank.

Schöner kurzer Artikel und Video mit Arno Gruen zum Gehorsam und Demokratie

Zum Abschluß noch ein Zitat von Hannah Arendt, einer jüdischen Philosophin, die auch eine bemerkenswerte Charakterisierung von Josef Eichmann, dem Organisator des Holocausts geschrieben hat:

Niemand hat je Wahrhaftigkeit zu den politischen Tugenden gerechnet. Lügen scheint zum Handwerk nicht nur des Demagogen, sondern auch des Politikers und sogar des Staatsmannes zu gehören. Ein bemerkenswerter und beunruhigender Tatbestand.

Um die Frage, die der Titel dieses Artikels ist zu beantworten: Ja, eine faschistische und auch populistische Haltung zu haben ist krankhaft. Ich hoffe, daß das durch diesen Artikel verständlich wurde.

Bernd Michel